Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD

12. Februar 2018 | 0 Kommentare

Vor wenigen Tagen konnten sich CDU/CSU sowie die SPD auf einen Koalitionsvertrag einigen.
Beide Seiten, aber vor allem die SPD, feierten das 179 Seiten starke Papier als Erfolg.
Man habe viel für sich und seine Wähler heraus geholt… naja, die CSU konnte einige ihrer Themen durchdrücken, die SPD holte für sich wichtige Ministerposten und die CDU scheint der große Verlierer zu sein.
Immerhin – Merkel wird erneut Kanzlerin, wer braucht da schon Inhalte?

Da die meisten Bürger in unserem Lande keinen Blick in diesen Koalitionsvertrag werfen, habe ich das getan und dieses Machwerk genauer unter die Lupe genommen.
Den gesamten Vertrag kann man übrigens am Ende dieses Artikels im PDF-Format herunter laden.

Sofern die Mitglieder der SPD diesen Vertag mehrheitlich absegnen, können wir uns bald auf eine neue (alte) Regierung freuen. Das „weiter so“ der GroKo geht in die nächste Runde.
Frau Merkel bleibt Kanzlerin und dafür wurde unter anderem das wichtige Finanzministerium an die SPD verscherbelt.
Martin Schulz, der ja überhaupt kein Amt in einer Regierung Merkel bekleiden wollte, hatte für sich den Posten des Außenministers heraus geholt. Das gefiel dem aktuellen Außenminister Gabriel aber überhaupt nicht und Schulz machte das was er am besten kann: einen Rückzieher.

Die CSU kann mit dem Ergebnis der Koalitionsverhandlungen absolut zufrieden sein. Die Obergrenze wurde eingeführt (auch wenn diese im Vertrag natürlich nicht so heißt) und obendrein konnte sich Seehofer das Innenminsterium sichern.

Wie schon weiter oben erwähnt, habe ich mir den Koalitionsvertrag genaue angesehen.
Es wird viel von Digitalisierung und Bildung gesprochen, Europa und den Rest der Welt. Die schrittweise Abschaffung des Soli wird mehrfach erwähnt, überhaupt wiederholt sich die eine oder andere Passage.
Das Werk könnte durchaus deutlich weniger Seiten haben, wenn man sich mehr auf die Inhalte anstatt auf Absichtsbekundungen beschränkt hätte (aber dann würden eventuell doch mehr Bürger den Vertrag lesen).

Ich möchte nicht auf alle Einzelheiten eingehen, sondern nur die für die breite Masse wichtigen Punkte.

Kindergeld und Kinderbetreuung
Beginnen möchte ich mit dem Kindergeld. Auf Seite 19 des Vertrages findet man die Erhöhung.
An für sich eine gute Sache. Leider werden die 25 € pro Kind und Monat nochmal aufgeteilt.
Zum 1. Juli 2019 steigt das Kindergeld um 10 € und zum 1. Januar 2021 um weitere 15 €.  Erwähnenswert ist, das der steuerliche Kinderfreibetrag ebenfalls entsprechend steigt.

Bei den zu erwartenden steigenden Kosten in den nächsten Jahren sind diese Mini-Beträge keine wirkliche Entlastung für Eltern.
Auch die auf Seite 20 genannten Investitionen in die Kinderbetreuung (2019: 0,5 Milliarden €, 2020: 1 Milliarde € und 2021: 2 Milliarden €) sind eher ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Digitalisierung
Ab Seite 37 des Koalitionsvertrages beginnt die Digitalisierung.
Konkrete Zahlen werden auf Seite 38 genannt. Zusammen mit den Telekommunikationsanbietern möchte man in jeder Region bis 2025 Glasfaser verlegen – möglichst direkt bis zum Haus. Der öffentliche Finanzierungsbedarf liegt bei 10 bis 12 Milliarden €.

Das bedeutet also, das der Staat (sprich: der deutsche Steuerzahler) den Telekommunikationsunternehmen schöne neue Leitungen finanziert und die Unternehmen aufgrund des dann vorhandenen High-Speed-Internets mehr Einnahmen haben.

Funklöcher möchte man ebenfalls schließen (Seite 39) und Deutschland zum Leitmarkt der 5G-Technologie machen.
Mir persönlich würde es schon reichen, wenn man überall im Lande einen vernünftigen Mobilfunkempfang hätte. Denn gerade in ländlichen Gegenden ist dieser oft nicht vorhanden und gerade weil ein Krankenwagen länger benötigt als in der Stadt sollte man zügig einen Notruf von unterwegs absetzen können. Dafür brauche ich aber kein LTE oder 5G sondern einfach nur – genau – Empfang.

Digitale Verwaltung
Für die digitale Verwaltung (ab Seite 45) stellt man gerade einmal 500 Millionen € bereit.
Bürger und Unternehmen sollen einfacher online Zugang zu Verwaltungsdienstleistungen erhalten. Dafür soll ein digitales Portal entstehen und im damit verknüpften Bürgerkonto kann man sehen, welche Daten dem Staat vorliegen und welche Behörden darauf Zugriff genommen haben.

Ebenfalls eine feine Sache, denn zum einen würde man durch diese Form der Digitalisierung die Ämter entlasten (weil weniger Besucher vor Ort) und jeder könnte seine Angelegenheiten dann zuhause erledigen, wenn man dafür Zeit hat.
Ferner würde man eine Menge Geld für Porto und Papier sparen.
Leider dürfte die dafür zur Verfügung gestellte Summe weder hinten geschweige denn vorne reichen.
Schade, denn genau dieses Vorhaben wäre ein wirklicher Schritt in eine digitale Zukunft.

Befristung sachgrundloser Arbeitsverträge
Die Befristung von sachgrundlosen Arbeitsverträgen, immerhin eine Kernforderung der SPD, wird auf Seite 45 ins Visier genommen. Auch hier ist das Ergebnis weder Fisch noch Fleisch.
Zwar wird die Befristung eines Arbeitsvertrages ohne sachlichen Grund von 24 auf 18 Monate begrenzt und kann in dieser Zeit auch nur noch einmal anstatt dreimal verlängert werden.
Aber von „Abschaffung“ kann dabei absolut keine Rede sein. Schade, denn viele Arbeitnehmer haben nach wie vor keine Planungssicherheit.

Abschaffung des Solidaritätszuschlages
Eines der immer wiederkehrenden Themen im Koalitionsvertrag ist die schrittweise Abschaffung des Solidaritätszuschlages.
In einem ersten Schritt ab dem Jahr 2021 (…das ist kein Tippfehler) wird diese Entlastung 10 Milliarden € betragen.
Wann weitere Schritte erfolgen steht da leider nicht.
Entweder schafft man den Soli schnellstmöglich komplett ab oder man tauft das Kind einfach um und verwendet das Geld für sinnvolle, notwendige Investitionen.

Tourismus
Den Tourismus bzw. die Tourismuswirtschaft soll ebenfalls gefördert werden (Seite 64).
Man möchte die Rahmenbedingungen in Deutschland verbessern… ganz ehrlich? Ich wohne ja mitten in der Tourismushochburg Ostfriesland und kenne die (teilweise völlig überzogenen) Preise, die genommen werden.
Da muss nichts gefördert werden, absolut nichts. Unternehmen, Vermieter usw. haben genügend eigenes Kapital.

Energiewende
Um die Energiewende geht es ab Seite 71. Interessant ist die „Gewährleistung der Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver Industrien.“
Das bedeutet nichts anderes, das große Unternehmen weiterhin von der EEG-Umlage befreit sind und der kleine Steuerzahler alleine diese Last zu tragen hat.
In Zeiten von Milliardengewinnen solcher Firmen eine große Schweinerei.
Übrigens: im Hafenbereich soll die EEG-Umlage ebenfalls gesenkt werden (Seite 82). Wundert euch also bitte nicht, wenn die Stromkosten in dieser Legislaturperiode stetig steigen.

LKW-Maut
Die LKW-Maut soll auf allen Bundesstraßen für Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen zügig eingeführt werden (ab Seite 74). Das war wohl schon Teil des vorherigen Koalitionsvertrages, wurde hier aber vermutlich auf Drängen der CSU erneut schriftlich fixiert.
Wie ich schon oben schrieb, die CSU kann voll und ganz zufrieden sein.

Rente
Das Thema Rente wird ab Seite 92 behandelt. Das heutige Niveau von 48 % soll bis 2025 abgesichert sein. Der Beitragssatz soll in dieser Zeit nicht über 20 % steigen.
Eine doppelte Haltelinie. Das liest sich natürlich hervorragend und ist auch eine tolle Sache.
Allerdings liegt der aktuelle Beitragsatz bei 18,7 % und bietet somit noch Platz für eine leichte Erhöhung. Dies wäre aber eine Belastung für alle.

Ostdeutsche Bundesländer sollen entlastet werden, weil der Staat schrittweise einen höheren  Anteil bei den Erstattungen an die Rentenversicherung für die Ansprüche aus den Sonder- und Zusatzversorgungssystemen der ehemaligen DDR übernimmt (Seite 94).
Hierfür könnte man den Soli verwenden, anstatt ihn abzuschaffen.
Aber soweit hat man augenscheinlich bei den Koalitionsverhandlungen nicht gedacht. Die Verteilung der Ministerposten war vermutlich wichtiger.

Pflege
In einem Sofortprogramm sollen 8000 neue Fachkraftstellen in Pflegeeinrichtungen geschaffen werden (Seite 96). Weitere Schritte sollen folgen.
Auch diese Maßnahme ist nichts weiter als ein Tropfen auf dem heißen Stein und undurchdachter Aktionismus. Da ist jetzt dank Schäuble etwas Geld vorhanden, also wird das sinnfrei verbraten.
Es ist vernünftig, gerade in diesem Sektor etwas zu unternehmen. Aber die Art und Weise ist völliger Humbug.
Pro Einrichtung wären das 0,6 neue Stellen… mathematisch geht das, aber Menschen kann man nicht teilen.

Flüchtlingspolitik
Die Flüchtlingspolitik wird ab Seite 104 behandelt. Das Wort „Obergrenze“ sucht man erwartungsgemäß vergebens.
Trotzdem wurde die Anzahl der Flüchtlinge begrenzt. Die Spanne soll 180.000 bis 220.000 nicht überschreiten.
Der Familiennachzug bei subsidiär Geschützten ist ab August 2018 auf 1000 Personen pro Monat begrenzt. Dazu kommen dann noch die Härtefälle.
Wer entscheidet über diese Härtefälle und damit eventuell über Leben und Tod?

Baukindergeld
Die Eigentumsbildung von Familien soll finanziell unterstützt werden (Seite 111). Dafür gibt es für den Ersterwerb von Neubau oder Bestand ein sogenanntes Baukindergeld in Höhe von 1200 € pro Jahr und Kind (für einen Zeitraum von 10 Jahren).
Wow, das sind 100 € im Monat. Bei den aktuell hohen Immobilienpreisen ist das eher eine Mogelpackung. Man beachte auch das Wort „Ersterwerb“.

100 Jahre Demokratie in Deutschland
Zum Schluss möchte ich noch auf den Abschnitt zur „Stärkung der Demokratie und Extremismusprävention“ hinweisen (Seite 120).
Ich musste schmunzeln, als ich folgenden Satz las: Im Jahr 2019 werden wir 100 Jahre Demokratie in Deutschland und 100 Jahre Frauenwahlrecht feiern.
Unsere zukünftige Bundesregierung hat da wohl die Zeit von 1933 bis 1945 einfach mal vergessen. Kann ja mal passieren…

 
Koalitionsvertrag zum Herunterladen
Wie versprochen hier noch der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD im PDF-Format (Größe: ca. 3 MB):
Koalitionsvertrag